"Die Welt kennt schon alle anderen. Es ergibt also keinen Sinn, so zu tun, als wäre man jemand anders. Das gibt es ja schon. Das, was es noch nicht gibt, bist du und deine eigene Ungewöhnlichkeit. Das ist der gute Scheiß: Der Kram der dich ein wenig kaputt sein lässt, ein bisschen anders als die anderen, ein wenig merkwürdig und ein bisschen fremd im eigenen Körper. Das ist der beste Part. Deswegen sind Menschen so großartig und so interessant; nicht, weil sie alle gleich aussehen. Sei ein bisschen hässlich. Darin liegt die Schönheit, finde ich."
Frank Iero: (00:00)
Naja, mit My Chem zu touren… eine Sekunde.
Speaker 2: (00:09)
Wer ist das?
Frank Iero: (00:09)
Die drehen für Ernie Ball.
Speaker 3: (00:11)
Daddy arbeitet.
Speaker 2: (00:11)
Was ist Ernie Ball?
Frank Iero: (00:12)
Ken, was ist Ernie Ball?
Speaker 3: (00:13)
Gitarrensaiten.
Speaker 4: (00:15)
Gitarrensaiten.
Speaker 2: (00:16)
Oh. Ciao.
Frank Iero: (00:47)
Du wirst deinen Kindern nie von der Zeit erzählen, als du verheimlichen wolltest, wie komisch du rüberkommst. Sei stolz, wer auch immer du bist. My Chem hatte so viele Einflüsse, die theoretisch gar nicht hätten funktionieren dürfen, aber praktisch ging das wunderbar. Warum klingt diese Band so, wie sie nun einmal klingt? Weil eben diese vier, fünf Typen zur gleichen Zeit im gleichen Raum stehen. Das war’s. Wir schrieben diese Songs, weil wir sie hören wollten und mit ähnlicher Musik aufgewachsen waren. Da steckt Maiden drin, die Misfits, Bowie und Queen, und das gab es so im damaligen Hardcore und Punkrock nicht. Gab es einfach nicht. Die Leute dachten nicht: „Geil, ich will klingen, als ob The Damned auf Marcy treffen.“ Niemand sonst machte das, wir aber schon. So ging alles los, und von diesem Startpunkt aus führte es irgendwann zu unserem eigenen Ding, das noch grandioser und vollkommen durchgeknallt war.
Frank Iero: (01:47)
Ich wurde früh an die Musik herangeführt. Mein Vater spielte Schlagzeug in einer Bluesband. Hatte ich Glück, durfte ich ihn spielen sehen. Als ich mit der Zeit herausfinden wollte, was mein eigenes Ding war, zog es mich in die DIY-Punkrock- und Hardcore-Szene in Jersey und New York. Beim Blues, den mein Vater so liebte, gab es schon diesen DYI-/Kellerstudio-Gedanken, und das fand ich dann im Punk und Hardcore wieder. Kids, die das zusammen warfen, was sie gerade hatten, auf Four-Tracks aufnahmen, entgegen aller Hindernisse Seven-Inches rausbrachten und Shows auf die Beine stellten. Das war riesig.
Frank Iero: (02:51)
Wenn es der Urknall ist, dass du ein Instrument bekommst, ein paar Akkorde lernst und damit furchtbare Songs schreibst, dann ist es die Evolution, dass du dich mit anderen Leuten in einem Raum versammelst und versuchst, mit Fremden zu spielen. Du lernst mehr dabei, wenn du mit anderen spielst, als wenn du jahrelang in deinem Schlafzimmer übst. Riesige Erkenntnis für mich. Ich wuchs nicht damit auf, Rockstars zu bewundern; das erschien mir nicht sonderlich cool. Ich wollte es nicht zum Virtuosen oder Frontmann im Spandex-Anzug schaffen. Im Grunde wollte ich einfach nur Songs schreiben und in Heimen für Kriegsveteranen auftreten. Das war mein Ding.
Frank Iero: (03:45)
Wirklich verlockend an der Band und ihren Mitgliedern fand ich damals, dass alles so ungewöhnlich war. Wie G und Ray zu der Zeit schrieben, kamen ihre unterschiedlichen Einflüsse raus und die waren von meinen meilenweit entfernt. Ray brachte eine Menge klassischer Ideen und Metal mit, was so gar nicht mein Ding war. Trotzdem stellte es sich als wichtig heraus, weil ich eher lärmende Melodien mitbrachte und mit den Vocals spielte.
Frank Iero: (04:47)
Für mich war das natürlich klasse, da ich nie Frontmann werden wollte. Trotzdem landete ich ständig in dieser Position, weil sonst niemand singen wollte! Man denkt sich dann: „Fuck, okay. Na ja, wenn es sonst keiner macht, haben wir keine Band. Dann übernehme ich das wohl.“ Bei all den Bands davor lief es so, und hier durfte ich schließlich einfach mitmachen. „Ich darf einfach Gitarre spielen und muss mir keine Gedanken machen. Ich kann mich auf mein Spiel konzentrieren und alles bringen, was ich spielen will. Keine Sorgen, ob ich einen Part gleichzeitig spielen und singen kann.“
Frank Iero: (05:16)
Großartig war das, ich habe es geliebt. Es erweiterte meinen Horizont um so viele Einflüsse und Spielarten und brachte mich definitiv auf Ideen, die ich alleine nie gehabt hätte. Der einzige Nachteil dabei, in dieser Band zu sein, waren die ersten Shows. Das stellte sich als nicht ganz unkompliziert heraus, da wir wirklich wie keine der anderen Bands klangen und auftraten. Man akzeptierte und feierte uns nicht so sehr, wie man das vielleicht mit einer regulären Hardcore-Band gemacht hätte.
Frank Iero: (06:18)
Ich habe die gesamte Skala der Saitenhersteller durch und war eigentlich nie zufrieden. Es funktionierte alles einfach nur so lala, bis wir uns kennenlernten. Jetzt will ich nicht mehr weg von euch. Als meine Beziehung zu Ernie Ball begann, merkte ich recht schnell: „Warte, das ist viel besser als das, was ich bisher genutzt habe.“ Zuvor verschwendete ich kaum Gedanken an das, was ich spielte. Saiten drauf, fertig. Jetzt reißen mir keine Saiten, ich habe Stimm-Stabilität, sie klingen nach Leben und fühlen sich einfach gut an. Sie klingen gut! Und sie halten ewig, was sich sowohl live als auch im Studio bezahlt macht.
Frank Iero: (07:50)
Das hier ist meine erste Gitarre, eine Fernandes Lawsuit. Irgendwann konnte man sie vor lauter Stickern nicht mehr erkennen, die waren fast alle von der Warped Tour. Die Black Parade-Tour mit My Chem lief vollkommen verrückt ab. Zum ersten Mal füllten wir Arenen als Headliner! Das hatten wir uns so nie träumen lassen. Die Platte beginnt mit einer Akustikgitarre, die ich zu diesem Zeitpunkt nicht hatte. Generell besaß ich nicht viel. Also ging mein Vater zu Weihnachten hin und meinte „Hier, ich weiß doch, dass du für diese Shows eine Acoustic-Electric brauchst.“ Das war eine Esteban, die ich dann während der kompletten Arena-Tour zu The Black Parade und bei Saturday Night Live benutzte. Eine Esteban. Stell dir das mal vor, schließ deine Augen und lass das Bild entstehe: Du fährst vor. Du bist Headliner im Madison Square Garden, ausverkauft, und der erste Ton des ganzen Sets kommt von einer Esteban.
Frank Iero: (09:13)
Die ist von [unverständlich], seine Fender Malibu. Die machte er auch mit einem Heartagram. [Unverständlich] hat uns die alle zukommen lassen, und sie gehen schwer klar. Es mögen vielleicht nur kleine Parlor-Gitarren sein, doch sie spielen fantastisch. Basierend auf der Malibu, und das war die Alkaline. Siehst du das Loch hier? Super cool. Die hier ist aus „Ghost Of You“. Das Video dazu wurde tatsächlich in einem Heim für Veteranen gedreht. Also schickte mir Epiphone diese Gitarre, die ein bisschen in die Zeitperiode passte, da das Video zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges spielte.
Frank Iero: (09:50)
Die hier ging auf der Bühne kaputt. Ich weiß noch, ich drehte mich um, um ins Mikro zu sprechen, und ich glaube der Gurt löste sich. Die Gitarre flog davon, landete im Drum Riser und brach hier durch, brach quasi entzwei, und hier unten auch noch einmal. Luthier in Jersey konnte sie reparieren und den gesamten Halsstab ersetzen. Sieht nicht schön aus, aber tut’s noch. Diese Gitarre musste echt viel mitmachen. Ich habe sie während der letzten My Chem-Show gespielt und auch während der ersten nach dem Comeback, das fand ich nur passend, um sie zu verabschieden.
Frank Iero: (10:31)
Wir landeten mit einem Song auf dem Watchmen-Soundtrack und drehten mit Zack Snyder ein Video. Das war großartig, und diese Gitarre kam zum Einsatz. In puncto My Chem-Mythologie liegt die sicher ganz weit vorn. Diese Epiphone Elitists und Les Pauls habe ich lange gespielt, und diese hier war immer meine Hauptgitarre. Nach vielen, vielen Reparaturen hatte ich dann irgendwann genug und sie fing an, mir Schmerzen in den Händen zu bereiten.
Frank Iero: (11:04)
Wir spielten eine Show für ein MTV-Special und an diesem Abend lief einfach alles schief. Kennst du diese Momente, in denen nichts läuft, was du ausprobierst? Es gab ein riesiges Pappmaché-MTV-Zeichen auf Rädern. Nach der Show wollte ich es holen und stieß mit der Gitarre daran. Das Zeichen ging natürlich kaputt, die Gitarre auch, und dann kippte alles vornüber und stieß sämtliche Verstärker um, die auf der Bühne standen. Hervorragend. Das war also Pansys Schuld, weswegen ich sie seitdem nicht gespielt habe. Sie hängt zur Strafe an der Wand.
Frank Iero: (12:00)
Irgendwann kommt der Punkt, an dem deine Band eine Menge Aufmerksamkeit bekommt, obwohl du ja in irgendwelchen Kellern angefangen hast. Man bietet euch größere Shows. Es gibt großartige Möglichkeiten. Man bekommt die Chance, das mitzunehmen. Ist es überhaupt das Richtige für uns, bei einem Major Label zu sein? Können wir hier etwas Größeres erreichen? Sollen wir das machen, oder bleibt diese Möglichkeiten noch eine Weile bestehen? Unsere Songs und Gedanken zeigen, dass wir uns damit recht wohlfühlen könnten. Das konnten wir selbstbewusst sagen, nachdem wir so viel über uns gelernt und mit Bands gespielt hatten, zu denen wir eigentlich gar nicht passten. Unser Publikum wuchs stetig, und wir fühlten uns wohl mit unserer kleinen, isolierten Gruppe. Wir dachten, es sei der richtige Zeitpunkt um etwas Verrücktes, etwas Großes zu tun.
Frank Iero: (13:07)
Als wir in unseren ersten Bus steigen sollten, fuhren wir mit unserem Van vor und er fing Feuer. Wir dachten nur: „Ach, so läuft das jetzt?“ Wann sattelst du auf einen Bus um? Wenn dein Van anfängt zu brennen, kannst du ihn ja schlecht noch fahren. Also ließen wir ihn dort stehen und stiegen in den Bus. Ich weiß das noch. Für die ersten Aufnahmen arbeiteten wir mit Mark Trombino, weil wir Bleed American gehört hatten. Wir kamen also ins Studio, und er sagte nur: „Ihr seid hierfür noch nicht bereit.“ Wir dachten nur: „Was zur Hölle? Na toll, das läuft ja klasse. Haben wir die falsche Entscheidung getroffen?“ Aber man beißt sich durch und glaubt an das, was man tut. Wir schrieben einfach noch mehr Songs und nahmen dann mit Howard Benson auf, und das war unsere erste Platte bei einem Major Label.
Frank Iero: (14:16)
Der Moment, als wir uns wirklich für ein Major Label und große Tourneen entschieden, war, als man uns eine Show auf der Allentown Fair. Jimmy Eat World sollten als Headliner spielen und [unverständlich] sollten ebenfalls spielen, mussten aber absagen. Deren Slot bekamen wir dann. Wir kamen hin und das war bis dato unser größter Gig. Wir gingen auf die Bühne, spielten ein paar Songs, und bei der zweiten Nummer „Headfirst For Halos“ hielt ich die Augen geschlossen, weil ich so verdammt nervös war. Als ich sie öffnete, sprang die ganze Menge im Takt zu unserem Song.
Frank Iero: (14:54)
Da wurde uns klar: „Das ist es, das müssen wir machen. Yup. Was auch immer wir tun müssen, um das öfter hinzukriegen.“ Man fühlt auch eine gewisse Kompetenz. Wir hätten schließlich auftreten können und es hätte niemanden interessiert, wie bei all den anderen Shows, die wir damals spielten. Wir hätten für tausend Mittelfinger spielen können, aber als sie sprangen, da machte es Klick. Nein, hier passiert etwas.
Frank Iero: (15:59)
Als die Zeit mit My Chem zu Ende ging, fühlte sich das abgeschlossen an. Gleichzeitig setzte aber auch eine Panik ein, weil man das für eine so lange Zeit gemacht hatte. Zwölf Jahre lang war das mein Alltag. Das definiert einen, und da ein wohliges Gefühl mitschwingt, kommen auch diese Gedanken von: „Oh Gott, was machst du jetzt? Wer bist du jetzt?“ Das macht einem Angst, aber weißt du, es ist gut, dass das passiert. Den Dingen, die uns Angst machen, müssen wir gegenübertreten. Ich liebe das. Wenn es mich so richtig ängstigt, muss ich es machen, und letztlich habe ich dabei unglaublich viel über mich gelernt und darüber, was ich alles erreichen kann, wenn ich nicht nur den Kram mache, der mir leicht fällt.
Frank Iero: (17:19)
Um 2012 kam Death Spells. Die Songs schrieb ich einfach so in meinem Keller an einem Computer, spielte alles selbst. Ich hatte keine Ahnung, was am Ende dabei rauskommen würde, aber ich musste einfach diese Songs schreiben. Dann flog ich meinen Freund Jared ein, der auf einigen Stücken live Schlagzeug spielte. Es gab keine Band, also musste ich das für die Tour irgendwie umstrukturieren und besetzen. Ich wusste nicht, ob ich der Aufgabe gewachsen war, aber meine Frau hat mich dann überzeugt. Sie meinte nur: „Wenn du das nicht durchziehst, wird es dich verfolgen“, und da sie quasi immer richtig liegt, habe ich auf sie gehört.
Frank Iero: (18:00)
2014 brachte ich dann Stomachaches raus. Meine erste Soloplatte, mit der ich auch tourte. Ich liebte es. Das war so anders als alles, was ich vorher gemacht hatte. Ich hatte die vollständige Kontrolle über all diese Songs. Das war wirklich nicht wie eine Band, und kam ganz ohne Regeln aus. Ich traf sämtliche Entscheidungen mit allen Vor- und Nachteilen, und das machte erstaunlich viel Spaß.
Frank Iero: (19:03)
Die Welt kennt schon alle anderen. Es ergibt also keinen Sinn, so zu tun, als wäre man jemand anders. Das gibt es ja schon. Das, was es noch nicht gibt, bist du und deine eigene Ungewöhnlichkeit. Das ist der gute Scheiß: Der Kram der dich ein wenig kaputt sein lässt, ein bisschen anders als die anderen, ein wenig merkwürdig und ein bisschen fremd im eigenen Körper. Das ist der beste Part. Deswegen sind Menschen so großartig und so interessant; nicht, weil sie alle gleich aussehen. Sei ein bisschen hässlich. Darin liegt die Schönheit, finde ich.