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Joe Robinson

At just 16 years old, Joe Robinson, equipped with his acoustic guitar, won Australia’s Got Talent. His career has since continued to flourish, releasing solo albums, doing session work, and performing with Rodney Crowell, Emmylou Harris, and many other artists. In this episode we speak with Joe about getting the most out of your guitar practice, embracing mentors, growing up in a tiny Australian town, winning Australia’s Got Talent, and moving to Nashville.

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Transcript

Evan Ball:
Hallo und herzlich willkommen zu Striking A Chord, einem Podcast von Ernie Ball. Ich bin Evan Ball und in der heutigen Folge haben wir den unvergleichlichen Joe Robinson zu Gast.

Evan Ball:
Heute begrüßen wir das Supertalent Joe Robinson bei uns im Podcast. Er hat im Alter von 16 Jahren mit seiner Akustikgitarre an Australia’s Got Talent teilgenommen und gewonnen. Seitdem hat er eine steile Karriere hingelegt: Er hat Soloalben veröffentlicht, an Sessions teilgenommen und ist mit Rodney Crowell, Emmylou Harris und vielen anderen Künstlern aufgetreten. Falls ihr ihn noch nicht kennt, solltet ihr ihn auf Instagram, YouTube, Facebook, Spotify usw. besuchen.

Evan Ball:
In dieser Folge sprechen wir über seinen Umzug aus einer winzigen australischen Kleinstadt nach Nashville. Ich frage Joe nach ein paar Tipps, wenn man schnell spielen möchte. Wir sprechen über das Üben im Allgemeinen, über Mentoren, über seinen Sieg bei Australia’s Got Talent und vieles mehr. Meine Damen und Herren, Joe Robinson!

Evan Ball:
Joe Robinson, herzlich willkommen im Podcast.

Joe Robinson:
Vielen Dank. Es ist schön, hier zu sein, Evan. Prost!

Evan Ball:
Ich glaube, du lebst jetzt in Nashville. Wo bist du aufgewachsen?

Joe Robinson:
Ich bin in Australien aufgewachsen, im Bundesstaat New South Wales, in einer kleinen Stadt zwischen Sydney und Brisbane an der Ostküste. Die Stadt heißt Temagog und hat laut Google etwa 200 Einwohner.

Evan Ball:
Wow, wirklich?

Joe Robinson:
Ja.

Evan Ball:
Wow, okay. Es gab also nicht viele Clubs, in denen du als Kind spielen konntest, zumindest nicht in deiner unmittelbaren Nähe?

Joe Robinson:
Das ist lustig, denn meine Mutter hat in ein paar Bands Schlagzeug gespielt, und es gibt tatsächlich viele Musiker in der Gegend. Man ist auch mal zwei Stunden gefahren, um irgendwo zu spielen, aber ich habe viele Orte gefunden, an denen ich spielen konnte und viele Bands, mit denen ich jammen konnte. Ich bin wirklich in einer netten musikalischen Gemeinschaft aufgewachsen.

Evan Ball:
Oh wow, okay. Ich schätze, dass du mehr musikalische Verbindungen außerhalb dieser kleinen Stadt mit 200 Einwohnern hast? Es sei denn die Stadt ist dicht besiedelt mit … Ist das Dorf eine Talentschmiede?

Joe Robinson:
Ehrlich gesagt: Es ist wirklich unglaublich, wie viele Musiker dort leben. Es gibt Schlagzeuger, Bassisten, Gitarristen.

Evan Ball:
Ja, das ist großartig.

Joe Robinson:
Dort wohnen viele Hippies, die im Busch leben möchten.

Evan Ball:
Verzeih mir, dass ich mich mit der australischen Geografie nicht so auskenne, aber bedeutet „Busch“ einfach nur „ländliche Gegend“? Oder haftet dem Begriff etwas Hinterwäldlerisches an?

Joe Robinson:
Die Leute verwechseln den Busch mit dem Outback. Der Outback ist die Wüste, in der es wirklich nichts gibt. Das ist der größte Teil von Australien, quasi die gesamte Mitte. Aber mit dem „Busch“ ist im Prinzip das Gestrüpp in den Hügeln gemeint, mitten im Nirgendwo. Wenn du dir Temagog auf Google Earth anschaust, ist dort alles grün. Das ist der Busch.

Evan Ball:
Wie nah liegt Temagog am Meer?

Joe Robinson:
Mit dem Auto etwa 45 Minuten.

Evan Ball:
Okay, also mitten in der australischen Wüste, aber wenn das Meer nah genug dran ist, gibt es Grünflächen, richtig?

Joe Robinson:
Ja. Die meisten Menschen leben an der Ostküste, von Brisbane über Sydney bis nach Melbourne und Adelaide. Es ist wunderschön und ich vermisse Australien sehr. Ich lebe jetzt seit etwa zehn Jahren in den USA, in Nashville. Es war ganz schön krass, in Temagog aufzuwachsen und dann hierher zu kommen. Ich habe ja noch nichtmal in einer australischen Stadt gelebt, sondern bin quasi direkt aus dem Busch nach Nashville gezogen.

Evan Ball:
Wow. Was hältst du von Nashville?

Joe Robinson:
Nashville ist toll. Die musikalische Gemeinschaft hier ist super und ich liebe die Studios hier.

Evan Ball:
Auch die Junggesellinnenabschiede?

Joe Robinson:
Oh ja, davon gibt es jede Menge [unverständlich 00:03:46], du weißt, dass das passiert.

Evan Ball:
Vor ein paar Jahren war ich auf der Summer NAMM und war überwältigt von den vielen Junggesellinnenabschieden. Das war ziemlich lustig.

Joe Robinson:
Ja, im Juni und Juli geht es hier in der Stadt rund. Der Sommer ist heiß und schwül, die Clubs sind voll, es gibt viele Touristen.

Evan Ball:
Ja, einfach voll. Wir haben direkt am Broadway gewohnt, also mittendrin. Aber zurück zum Thema: Ich habe irgendwo gelesen, dass du mit zehn Jahren angefangen hast, Gitarre zu spielen. Warst du sofort süchtig danach?

Joe Robinson:
Auf jeden Fall. Ich habe mit sechs mit dem Klavierspielen angefangen, mochte es aber nicht, dass man dabei still sitzen und üben musste. Als ich die Gitarre entdeckt habe, habe ich meine Eltern angefleht: „Bitte, kann ich mit dem Klavier aufhören? Ich will Gitarre spielen.“ Meine Oma hat mir eine kleine dreiviertelgroße Gitarre [unverständlich 00:04:43] geschenkt und meine Mutter hat zu mir gesagt: „Na gut, wenn du Gitarre spielen möchtest, übst du besser, sonst spielst du wieder Klavier.“ Ich war also von Anfang an motiviert, gut zu werden.

Evan Ball:
Aber du hattest doch bestimmt auch so eine natürliche Begeisterung für die Gitarre, auch ohne die Bedrohung, wieder Klavier spielen zu müssen?

Joe Robinson:
Ja. Da oben im Busch hatten wir nicht viel zu tun. Es gab zwei Fernsehkanäle, unser Fernseher war so groß wie ein Essteller und stand auf dem obersten Regal an der Wand. Das war super rustikal. Wir haben erst seit 2001 heißes Wasser. Davor haben wir das Wasser auf dem Herd gekocht und in die Badewanne gegossen, wenn wir ein Bad nehmen wollten. Ich hatte einfach ein Händchen dafür und mochte die Musik sehr. Wenn sich meine Eltern mit ihren Freunden getroffen haben, „Blowin’ In The Wind“ gesungen haben und wenn Rauch unten aus der Tür quoll, bin ich manchmal mitten in der Nacht aufgewacht und dachte: „Wow, das macht ja richtig Spaß.“ Ich wollte vor allem Folkmusik spielen. An Klassik hatte ich nicht so viel Interesse. Die Gitarre hat mich also auf allen Ebenen angesprochen und ich habe mich einfach in sie verliebt und wurde richtig leidenschaftlich. Je länger ich darauf gespielt habe, desto mehr hat sie mich fasziniert.

Evan Ball:
Ja. Diese Frage habe ich schon mehreren „Wunderkindern“ gestellt, wenn man das so nennen mag: Das Gitarrespielen fällt dir relativ leicht, oder? Hattest du nach zwölf Monaten schon alle überholt?

Joe Robinson:
Das ist eine interessante Frage, denn ich erinnere mich daran, dass ich mit jeder einzelnen Technik zu kämpfen hatte. Die künstlichen Harfentöne sind mir zum Beispiel schwer gefallen. Ich konnte mit meiner rechten Hand nicht abwechselnd zupfen, ohne dass sie verkrampfte. Ich war also auch manchmal frustriert. Aber nach einem Jahr hat mein Gitarrenlehrer zu mir gesagt: „Ok, ich glaube, du kannst jetzt auch ganz gut alleine spielen.“ Und dann habe ich einfach angefangen, mit Tabs zu lernen. Ich erinnere mich noch wie [unverständlich 00:06:47] rausgekommen ist und wie YouTube online ging und wie all diese Dinge aufgetaucht sind, als ich ein Teenager war. Das waren Portale zur Welt der Musik, zu Foren und Tabs, und man konnte Kontakt mit Leuten aufnehmen, die genauso leidenschaftlich waren. Am Anfang bin ich einfach eingetaucht und war manchmal wie besessen, aber es war auch nicht immer einfach.

Evan Ball:
Ja, das sind ja erstmal fremde Fingerbewegungen, das fällt wohl jedem schwer. Aber ich könnte mir vorstellen, dass dir das im Vergleich zu anderen Leuten noch relativ leicht gefallen ist. Ich zwinge dich dazu, ein bisschen zu prahlen. Ist dir mal aufgefallen, dass die Leute um dich rum sagen: „Wow, dieser Junge ist einfach … Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet und dieser Junge taucht einfach auf und …“?

Joe Robinson:
Ich weiß noch, dass ich mit verschiedenen Bands gespielt habe, als ich noch jünger war, und dass die Leute wirklich sehr ermutigend und nett zu mir waren. Aber wenn man als Kind in einer kleinen Stadt lebt, die im Vergleich zum Rest von Australien als sozial benachteiligt gilt, dann war das schon … Die Leute aus der Gegend haben mich manchmal angesehen und gesagt: „Oh, er ist nur ein Junge aus der Gegend, es gibt viele Gitarristen.“ Ihnen war nicht klar, dass es nicht normal ist, wenn man so besessen von der Gitarre ist.

Joe Robinson:
Aber als ich Phil Emmanuel kennengelernt habe … Phil Emmanuel ist der ältere Bruder von Tommy Emmanuel. Phil ist in Australien geblieben, vor ein paar Jahren ist er gestorben. Er war ein großartiger Mentor für mich. In Australien war er ein tourender Gitarrenheld und ich hatte die Chance, ihn zu treffen, als ich elf oder zwölf Jahre alt war. Und er hat gesagt: „Joe, du bist einer der besten Gitarristen, die ich in deinem Alter je gesehen habe.“ Das hat meine Selbstwahrnehmung völlig verändert und mich noch stärker motiviert, besser zu werden. Und er hat mich natürlich auch insofern inspiriert, als ich durch ihn eine Menge Musik kennengelernt habe, wie Steve Morse, Al Di Meola, John Jorgenson und die Hellacopters und so viele andere großartige Musiker, die Phil mir nahegebracht hat. Aber erst in diesem Moment ist mir klargeworden, dass nicht alle so spielen können wie ich. Phil hat zu mir gesagt: „Weißt du, Joe, die meisten Kinder in deinem Alter hören irgendeinen Mist von Limp Bizkit, aber du spielst Cliffs Of Dover und Songs von Jerry Reed im Fingerpicking-Stil.“ Er hat mich sehr ermutigt und von da an war ich noch besessener.

Evan Ball:
Apropos, du spielst sehr schnell. Hast du schonmal mit einer Metal-Verzerrung gespielt und dich so richtig ausgetobt?

Joe Robinson:
Oh ja, als Teenager habe ich mit meiner rechten Hand leidenschaftlich gerne geshreddet. Ich habe jeden Morgen mit meinem Jazz III und meinem Metronom da gesessen und geübt. Ich erinnere mich daran, dass ich eine kleine Heizung hatte, wenn es in Australien kalt war. In Australien wird es ja nicht wirklich kalt, aber nach dem Aufwachen habe ich meine Chops für die rechte Hand geübt. Und wenn man schnell spielt, verkrampft die Hand schneller. Je weniger man verkrampft und je mehr man entspannt, aber trotzdem kräftig und kontrolliert spielen kann, desto mehr kann man erreichen.

Evan Ball:
Ich habe eine technische Frage: Wenn du schneller spielst, ändert sich dann die Form? Oder sollte sie immer gleich sein, nur eben schneller oder langsamer? Ergibt das Sinn?

Joe Robinson:
Ich denke die Technik ändert sich, je nachdem, ob ich mit den Fingern oder mit einem Plektrum spiele. Ich gehöre zu den Leuten, die fragen: „Spielst du mit der Seite des Plektrums oder mit dem Plektrum gerade nach unten?“ Das hat nur damit zu tun, welchen Sound man erreichen möchte, dann ändern sich die Dinge von alleine. Meine Konstante ist, dass ich versuche, entspannt zu bleiben. Wenn ich sehr, sehr schnell spiele, möchte ich genauso entspannt sein, wie wenn ich sehr, sehr langsam spiele. Wenn ich übe, benutze ich ein Metronom, stelle es auf 60 und versuche, meinen Song sehr langsam und kontrolliert zu spielen, was sehr schwierig ist. Und wenn man es dann schneller spielt, versucht man es so, dass … Man hat bei langsamem Tempo die gleiche dynamische Kontrolle wie bei superschnellem Tempo, die gleiche Präzision und Kontrolle und entspannte Unterarme und Schultern.

Evan Ball:
Interessant. Wie wäre es damit: Wenn jemand schnell spielen möchte, sollte er … Wenn ich zum Beispiel versuche, mit einem Tremolo schnell zu spielen, verhält sich mein Unterarm ganz anders, als wenn ich langsamer spiele. Was ist besser: das langsame Zupfen zu beschleunigen oder das schnelle Zupfen zu verlangsamen? Ergibt die Frage Sinn?

Joe Robinson:
Ehrlich gesagt, denke ich, dass wenn du das schnelle Zupfen hinbekommst und einen Weg findest … Wenn du einen Punkt gefunden hast, an dem dein Unterarm verkrampft und wenn du versuchst, in einem Tempo zu spielen, egal ob es 140 ist, würde ich das Tempo so weit reduzieren, dass man entspannt spielen kann und dann darauf aufbauen. So ungefähr?

Evan Ball:
Ja, das ist super. Bist du eher mit einem cleanen E-Gitarrensound oder eher mit einem Akustikgitarrensound aufgewachsen?

Joe Robinson:
Nun, in meiner ersten Band wollte ich 20-minütige Gitarrensoli spielen und hatte einen Tube Screamer und einen kleinen Fender-Verstärker. Als ich 13 Jahre alt war, habe ich 2004 den nationalen Songwriting-Wettbewerb gewonnen und habe 1200 Dollar für den Musikunterricht an der Schule bekommen. Mein Lehrer war großartig und hat gesagt: "Joe, kauf dir einfach eine Gitarre oder einen Verstärker oder so etwas." Also habe ich mir einen kleinen Fender Tube-Verstärker gekauft, einen Tube Screamer und diesen kleinen Fender Hot Rod Deluxe, glaube ich. Und dann habe ich angefangen, Blues und Rock 'n' Roll zu spielen. Eric Johnson hat mich sehr beeinflusst. Am Anfang wollte ich auf jeden Fall Rock 'n' Roll spielen, aber das Problem war, dass ich keine Leute finden konnte, die mit mir in einer Band spielen wollten und die auch nur annähernd so leidenschaftlich waren wie ich.

Evan Ball:
Oder so gut wie du. Ich spreche es aus.

Joe Robinson:
Ich glaube ehrlich gesagt, dass es auf der Welt keinen Mangel an Talent gibt, sondern nur einen Mangel an Leuten, die es wirklich durchziehen wollen. Es gab in meinem Umfeld definitiv genug Leute, die musikalisch genug waren. In meiner ersten Band war ein Schlagzeuger, der sehr gut spielen konnte, aber er wollte Hardrock spielen und ich wollte Moondance spielen, um den dorischen Modus zu üben.

Evan Ball:
Okay.

Joe Robinson:
Es gab also kreative Streitigkeiten. Als ich Tommy Emmanuel zum ersten Mal spielen gesehen habe und seine Kraft, seine Energie und das Fingerpicking-Ding mitbekommen habe, war es mir unangenehm, ihm zuzuschauen, weil ich keine Ahnung hatte, wie das funktioniert, aber ich musste es natürlich herausfinden. Als ich anfing, mich für die Fingerpicking und die Akustikgitarre zu interessieren, hat sich das für mich zu einem Ausweg entwickelt. Ich konnte auf Tour gehen, die Welt bereisen und erforschen, Lieder komponieren und arrangieren, und war dabei auf niemanden angewiesen.

Evan Ball:
Wie alt warst du, als du Tommy Emmanuel gesehen hast und auf diese Weise inspiriert wurdest?

Joe Robinson:
Ich habe ihn das erste Mal gesehen, als ich Phil auf dem Festival getroffen habe, da war ich etwa elf oder zwölf Jahre alt. Ich war wirklich begeistert von Tommy, aber ich mochte auch Phils Spiel sehr. Er ist eher elektrisch unterwegs. Tommy ist ein paar Mal durch die Gegend getourt, ich durfte hinter der Bühne ein paar Lieder für ihn spielen und das Fingerstyle-Gitarrenspiel faszinierte mich immer mehr. Dann kam ein Musikproduzent auf mich zu und sagte: „Hey, Joe, wenn du eine CD aufnehmen möchtest [unverständlich 00:14:22], kannst du in mein Studio kommen und ich bezahle dich dafür. Das wird eine tolle Erfahrung für dich sein. Hast du eigene Songs?“ Und ich sagte: „Ich habe so viele Songs, dass sie sich bei mir zuhause stapeln.“ Ich hatte aber nicht wirklich welche. Also habe ich mir ein paar instrumentale Arrangements ausgedacht, und er wollte ein akustisches Album machen, weil das einfacher zu produzieren ist, als ein Album mit kompletter Band. Also habe ich dieses kleine Akustikalbum aufgenommen und angefangen als Straßenmusiker zu arbeiten, auf australischen Festivals zu spielen und mehr akustische Sachen zu machen. Mit 16 habe ich dann Australia’s Got Talent gewonnen und dadurch bin ich echt bekannt geworden …

Evan Ball:
Wenn man sich anschaut, was du in so jungen Jahren schon alles geschafft hast, die vielen Auftritte, die Auszeichnungen … Dann kann ich mir vorstellen, dass deine Familie komplett an Bord war, damit du das schaffst. War das Verhältnis zwischen Schule und Musik ausgeglichen? Oder war es so: "Scheiß auf die Schule, wir machen Musik"? Wie hat deine Familie dich unterstützt?

Joe Robinson:
Meine Eltern haben mich immer unterstützt und ermutigt, aber sie haben mir auch klar gemacht, dass ich in der Schule gut sein muss. Ich war ein guter Schüler, und wenn ich den Lehrer mochte, bin ich gerne zur Schule gegangen. Diese Einstellung habe ich von meinem Vater geerbt: Wenn man den Lehrer nicht respektiert, hält man es im Klassenzimmer nicht aus. Ich habe Mathe geliebt, hatte tolle Mathelehrer und habe Naturwissenschaften geliebt. Mir wurde aber auch klar, dass ich mich der Musik widmen möchte. Ich habe die Schule in der Mitte der 11. Klasse verlassen, als ich 15 war. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem Schulleiter, bei dem ich mit ihm saß und er sagte: "Okay, Joe, du hast in diesem Schuljahr 60 Schultage verpasst. Jeden Mittwoch bis Freitag, weil du mit vier Bands gleichzeitig auf Tour bist." Und er hat gesagt: „Es ist nicht zu übersehen, dass du Berufsmusiker werden möchtest." Damals gab es in meiner Heimatstadt noch nichts dergleichen. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass er mich ermutigt hat, Musik zu machen. Ursprünglich war der Plan, dass ich auf ein Musikkolleg in Sydney gehe, eine Musikhochschule oder sowas. Aber etwa sechs Monate nach meinem Schulabschluss kam die Show Australia's Got Talent.

Joe Robinson:
Ich habe Auftritte in Unternehmen bekommen. Ich hatte einen Agenten, der gesagt hat: „Je mehr du verlangst, desto mehr Auftritte kann ich dir geben.“ Ich habe eine Menge Geld dafür bekommen, dass ich Songs in Banken gespielt habe. Ich war also nicht so sehr daran interessiert, wieder zur Schule zu gehen, und etwas anderes zu machen als … Als ich nach Amerika kam, wollte ich auf das Berklee College Of Music oder das Musician’s Institute gehen. Als ich in Kalifornien ankam, haben wir das Musician’s Institute besucht und in der Umkleidekabine brach ein Streit aus. Meine Mutter und ich haben uns angesehen und ich habe gesagt: „Also, das ist nicht das, worüber ich [unverständlich 00:17:22] gelesen habe. Das ist nicht die richtige Stimmung.“ Dann bin ich nach Nashville gekommen und habe mich in Nashville verliebt. Ich habe an die Türen der Music Row geklopft und so viele Leute kennengelernt, denn hier im Süden sind alle freundlich. Ich habe für jemanden gespielt und der hat dann gesagt: „Du musst diese Person kennenlernen, du musst jene Person treffen.“

Joe Robinson:
Ich habe einen Produzenten getroffen, der mit Brad Paisley und anderen Country-Künstlern zusammengearbeitet hat. Ich bin zur Sound Kitchen gefahren, einem großen Studio in Franklin, außerhalb von Nashville und habe einen Sattelschlepper anrollen sehen, der voll mit Brad Paisleys Gitarren war. Da dachte ich mir: „Okay, hier bist du richtig. Sowas habe ich in Australien noch nie gesehen. Ihr könnt den Busch behalten, ich möchte dorthin, wo es Größenordnungen gibt, wie diese.“ So habe ich mich in Nashville verliebt.

Evan Ball:
Wie alt warst du damals?

Joe Robinson:
Ich war ungefähr 16, als ich [Durcheinandergerede 00:18:12] Nashville kennengelernt habe.

Evan Ball:
Na gut. Lass uns über Australia's Got Talent sprechen. Du hast dort gewonnen, als du 16 Jahre alt warst. Für unsere US-Hörer: Das ist im Grunde die gleiche Show wie America's Got Talent hier in den Staaten?

Joe Robinson:
Ja, so ziemlich.

Evan Ball:
Also eine große Sache.

Joe Robinson:
Ja, das war eine der erfolgreichsten Sendungen des Jahres 2008 und es war die zweite Staffel. Das war sozusagen der Höhepunkt der ganzen Reality-TV-Sache. Australian Idol gab es vorher schon und das war schon ziemlich etabliert.

Evan Ball:
Okay, es gibt viele Parallelen. War es ein langfristiges Ziel von dir, in die Show zu kommen und zu gewinnen?

Joe Robinson:
Nein. Ich war ja in Nashville und habe den Sattelschlepper voller Gitarren gesehen. Dann bin ich zurück nach Australien gegangen und habe mich mit einem A&R-Mitarbeiter von Sony Music zusammengesetzt. Ich habe ihm eine Liste mit allen Leuten gegeben, die ich in Nashville kennengelernt hatte. Alle drei Labels, alle möglichen Produzenten und eine Menge Schwergewichte aus dem Musikgeschäft. Sie haben sich die Liste angeschaut und meinten: „Wow, das ist wirklich beeindruckend, Joe. Schön für dich.“ Meine Einstellung damals war: „Ich sage zu allem Ja, was mich weiterbringt. Ich sage jeden Gig zu und werde [unverständlich 00:19:29] Gullydeckel spielen. Ich spiele überall und zu jeder Zeit. Gib mir einen Gig.“ Und da haben sie zu mir gesagt: „Möchtest du bei Australia’s Got Talent mitmachen? Wir suchen Leute, die das Ganze aufpeppen und wir glauben wirklich an das, was du machst.“

Joe Robinson:
Das ist eine coole Geschichte. Ich werde mich kurz fassen. Ich bin nach Melbourne gefahren, habe das erste Vorsingen mitgemacht und bekam Standing Ovations. Das kann man sich auf YouTube ansehen, das war ein krasser Moment. Die Leute haben wirklich sehr stark reagiert, ich habe viele Stimmen bekommen, glaube ich. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das eine Folge war, in der abgestimmt wurde. Diese Folge war jedenfalls ein großer Erfolg und sie haben gesagt: "Okay, Joe. Hier ist der Vertrag, in dem du fünf Jahre Management und eine Option für Sony in Australien unterschreibst." Und ich sagte: "Das unterschreibe ich auf keinen Fall. Es tut mir sehr leid, aber ich will nach Nashville gehen, da bin ich zu Hause." Und sie sagten: "Oh, okay. Lass uns einfach später darüber reden." Und so kam ich ins Halbfinale und habe gespielt und eine tolle Resonanz bekommen. Sie haben mir den Vertrag wieder gegeben und sagten: "Okay, du kannst jetzt unterschreiben, Joe". Und ich sagte: "Nein, ich habe euch gesagt, dass ich den Vertrag nicht unterschreiben werde. Lasst mich aus der Show raus, ich unterschreibe den Vertrag nicht." Ich hatte einen Anwalt, der mir die Folgen meiner Unterschrift erklärt hat.

Joe Robinson:
Als ich nach Hause kam, hat mich der Chef von FremantleMedia in Australien angerufen und sagte: "Joe, ich habe im Moment 19 Shows auf Sendung, ich habe keine Zeit, mich damit zu beschäftigen. Du musst nur diesen Vertrag unterschreiben." Und ich sagte: "Nein, ich unterschreibe ihn nicht, tut mir leid, Kumpel." Ich habe sogar den Chef von Sony in Australien getroffen und mit ihm telefoniert. Ich hatte eine Art Showcase für Sony gemacht, als ich ein Teenager war. Er sagte: "Joe, sieh mal, du musst das einfach unterschreiben. Du wirst damit sehr erfolgreich sein und wir werden dir nicht in den Rücken fallen, so sind wir nicht. Wir mögen dich wirklich und glauben an dich." Ich hörte die Schafe im Hintergrund blöken und erinnere mich noch genau an diesen Moment, als ich sagte: "Nein, tut mir leid, Kumpel, ich gehe nach Nashville. Ich weiß, worum es in dem Vertrag geht, und ich bin einfach nicht interessiert. Du kannst mich rausschmeißen und ich habe kein Problem damit. Ich könnte es ja auch einfach sein lassen.“

Joe Robinson:
Das ist ein Beweis dafür, dass die Show nicht manipuliert wurde, dass ich ins große Finale gekommen bin und gewonnen habe. Sie haben mir 250.000 australische Dollar gegeben, einen großen Scheck, und ich hatte keine Verpflichtungen. Das war wirklich wundervoll und hat es mir ermöglicht, nach Nashville zu ziehen und ein Arbeitsvisum zu bekommen.

Evan Ball:
Du warst also in der Show und hast sie gewonnen. Du warst sofort im ganzen Land bekannt. Was hat das für dich als Teenager bedeutet?

Joe Robinson:
Es war wirklich surreal. Es war auch ziemlich erstaunlich, denn in der einen Minute war ich noch dieses Kind, das Veranstalter angefleht hat, mich spielen zu lassen, statt nur das Gitarrenkabel durchs Fenster zu legen. Ich war "der Junge, der immer nur Gitarre spielt". Und dann hieß es plötzlich: "Wow, Joe ist berühmt. Er ist diese Woche im Sonntagskreuzworträtsel.“ Das hat die Wahrnehmung verändert und ich habe das auch gespürt. Sechs Tage nach dem Gewinn der Show war ich wieder im Flugzeug nach Nashville, um ein Album aufzunehmen. Als ich hier angekommen bin, wusste wieder niemand, wer ich war, also habe ich den Höhepunkt irgendwie übersprungen.

Evan Ball:
Du hast mit vielen bekannten Musikern zusammengespielt. Kannst du ein paar Highlights in deiner Karriere nennen?

Joe Robinson:
Sicher. Ich habe das Gefühl, dass sich alles Gute in meiner musikalischen Laufbahn auf Mentoren zurückführen lässt, es gab viele großartige davon. Ich habe mich mit vielen meiner Gitarrenhelden angefreundet und mit ihnen gejammt, wie Eric Johnson, Tommy Emmanuel, Robben Ford und Steve Vai. In Nashville habe ich viele Sessions mit den besten Musikern der Stadt gespielt und spiele gelegentlich in Emmylou Harris' Band. Außerdem spiele ich mit Rodney Crowell, einem Grammy-prämierten Singer-Songwriter. Ich bin ein großer Fan von ihm.

Evan Ball:
Ja, und er ist ein langjähriger Freund von Ernie Ball.

Joe Robinson:
Ja, ein wunderbarer Kerl, ein unglaublicher Songwriter, einer der Besten. Wen gibt es noch? Unzählige Leute. Ich habe für Al Di Meola und Paco de Lucía eröffnet, ich habe für Paco Peña eröffnet und auf dem Bonnaroo Music Festival gespielt.

Evan Ball:
Ja, das ist eine ziemlich lange Liste. Im Moment ist alles etwas seltsam, aber wie hast du dir deine Zeit vor Covid eingeteilt? Schreiben, Session-Arbeit, Auftritte, Videos vielleicht … Wie hat die Karriere von Joe Robinson ausgesehen?

Joe Robinson:
Grob geschätzt würde ich sagen, dass ich im Durchschnitt 150 Shows pro Jahr gespielt habe. Ich war etwa die Hälfte der Zeit unterwegs. So war das während der letzten zehn Jahre in Nashville.

Evan Ball:
Und wie viel hast du allein gespielt und wie viel mit anderen Musikern?

Joe Robinson:
Ich habe erst vor drei Jahren angefangen, mit anderen Leuten zu spielen. Davor war ich nur auf Tournee und habe [Durcheinandergerede 00:24:39] gespielt.

Evan Ball:
Joe Robinson.

Joe Robinson:
Ja. Aber ich kam an einen Punkt, an dem ... Es war eigentlich Robben Ford, der zu mir gesagt hat ... Ich war in diesem Gitarrenensemble mit Robben Ford und Lee Roy Parnell, das sich Guitar Army nannte, und Robben sagte: "Weißt du, Joe, ich möchte dir etwas mit auf den Weg geben. Als ich in meinen 20ern war, bekam ich die Gelegenheit, mit Joni Mitchell zu spielen, und ich war so sehr mit meiner eigenen Karriere und meinem eigenen Namen beschäftigt, dass ich fast abgelehnt hätte. Ich möchte nur, dass du weißt, dass das einer der kreativen Höhepunkte meines Werdegangs war."

Evan Ball:
Oh, wow.

Joe Robinson:
Und: "Wenn sich eine solche Gelegenheit ergibt, mit jemandem zusammenzuarbeiten, möchte ich dir nur sagen, dass das wirklich etwas verändern kann." Ehrlich gesagt, habe ich mit Rodney zusammengearbeitet, weil ich wissen wollte, wie er diese unglaublichen Songs schreibt. Er hatte all das drauf, worüber ich mehr lernen wollte, vom Texten über das Songwriting bis hin zum Arrangieren. Durch Rodney kam ich mit Emmylou in Kontakt und fing an, mehr Sessions zu machen und mich in die Welt von Nashville reinzufuchsen. Das war wirklich wunderbar, aber im Großen und Ganzen habe ich die meisten Shows unter meinem eigenen Namen gespielt. Als ich nach Amerika gezogen bin, musste ich einen Antrag für ein Visum ausfüllen. Ich hatte 1000 Shows gespielt und habe sie in meinem Antrag aufgeführt. Vor ein paar Jahren habe ich dann in meine alten Kalender geguckt und festgestellt, dass ich inzwischen 2000 Konzerte gespielt habe.

Evan Ball:
Das ist erstaunlich.

Joe Robinson:
Ziemlich cool, ich bin wirklich stolz darauf. Ich habe das Gefühl, dass ich 10.000 Stunden auf der Bühne gestanden habe und 10.000 Stunden vor einem Publikum gespielt habe.

Evan Ball:
Hast du einen Plan für die Zeit nach Covid, was auch immer das bedeuten mag?

Joe Robinson:
Es war ein erstaunliches Jahr für mich, weil ich seit etwa einem Jahr keine Shows mehr gespielt habe und online mehr Fans denn je erreicht habe.

Evan Ball:
Das ist fantastisch.

Joe Robinson:
[unverständlich 00:26:37].

Evan Ball:
Du möchtest also mehr aufnehmen? Oder mehr Session-Arbeit machen? Oder beides? Oder mehr Videos in den sozialen Medien? Oder alles zusammen?

Joe Robinson:
Ein bisschen von allem. Ich habe ein Album in 30 Tagen aufgenommen und es veröffentlicht. Es heißt „Borders“, mein neuestes Album. Das war eine wirklich befreiende Erfahrung und ich habe gelernt, wie schnell ich Musik herausbringen kann, auf die ich stolz bin. Ich möchte auf jeden Fall mehr Zeit mit dem Aufnehmen und Veröffentlichen verbringen. Alle 2 bis 3 Jahre ein Album zu veröffentlichen, scheint mir einfach zu altmodisch zu sein. Ich möchte in jeder Hinsicht produktiv sein, von Videos bis hin zu Live-Streams, um mit den Leuten online in Kontakt zu treten. Ich erinnere mich noch daran, wie ich 2006 mein erstes YouTube-Video hochgeladen habe, und ich muss sagen, dass ich die Macht des Internets unterschätzt habe. Das ist eine Sache, die mich dieses Jahr gelehrt hat: Die Möglichkeit, sich zu vernetzen, ist einfach da.

Joe Robinson:
Es gibt nichts Besseres, als auf der Bühne für die Leute zu spielen, aber um ganz ehrlich zu sein: Das wird schwierig werden. Ich glaube nicht, dass das Touren für mich noch einmal dasselbe sein wird. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass man Kosten spart, wenn man zu Hause bleibt. Es ist teuer, auf Tour zu gehen und all die Ausgaben zu bestreiten, Steuern zu zahlen, das Management zu bezahlen, dein [unverständlich 00:27:54] und alles. Das ist eine Menge.

Evan Ball:
Hast du eine bevorzugte Social-Media-Plattform? YouTube, Instagram oder Facebook? Was würdest du den Leuten ans Herz legen?

Joe Robinson:
Wahrscheinlich gehe ich auf YouTube. Das ist ein gutes Archiv für meine Musik. Auf Facebook gibt es den Share-Button, und jedes Mal, wenn ich ein Video hochlade, teilen es so viele Leute. Es scheint, als wäre diese Plattform wegen dieser Funktion am erfolgreichsten. Es ist eine schöne neue Welt, sie verändert sich ständig. Neulich hatte ich ein Video auf TikTok, das viele Aufrufe hatte, weil „The Entertainer“ von Scott Joplin lief. Also, wer weiß, was noch alles kommt [Durcheinandergerede 00:28:33].

Evan Ball:
Ja, das ist cool. Und was ist Joes12?

Joe Robinson:
Joes12 ist eine Online-Lernplattform, die ich ins Leben gerufen habe. Ich habe viele meiner Mentoren befragt und wir haben einen Kurs entwickelt, der meiner Meinung nach einzigartig ist. In den 12 Wochen geht es um das Üben, das Touren, das Aufnehmen, das Songwriting, das Arrangieren, das Warum und die Mission und die Zusammenarbeit. Wir behandeln all diese verschiedenen Aspekte der Musik und dieser Kurs hat mein Leben wirklich verändert und ich weiß, dass er die Kraft hat, das Leben anderer zu verändern. Wir haben nur begeisterte Kritiken bekommen. Ich habe Steve Vai, Eric Johnson, Rodney Crowell, Gary Nicholson, Robben Ford und Tommy Emmanuel interviewt, also viele meiner größten Helden und Mentoren. In der ersten Woche werden Eric Johnson, Steve Vai und ich über das Üben sprechen und darüber, was wir beim Üben tun. Jeder, der Interesse hat, kann sich auf Joes12.com anmelden. Ich finde, das ist eine wirklich gute Plattform.

Evan Ball:
Ja, das klingt fantastisch. Das ist also eine Art Crashkurs für alle, die von der Musik leben wollen, oder? Es ist fast so etwas wie ein kleines Zertifikatsprogramm?

Joe Robinson:
Ganz genau. Ich habe das Gefühl, dass ich auf der Straße ausgebildet wurde. Als ich ein Teenager war, hatte ich in meinem Zimmer ein ganzes Archiv mit Musiklehr-DVDs und -VHS-Kassetten. Zugegeben, viele davon waren Raubkopien, aber ich habe das Spielen anhand von Videos gelernt und die Leute darin haben mich inspiriert.

Evan Ball:
Waren das die Hot Licks oder die Star Licks VHS-Kassetten, kannst du dich erinnern?

Joe Robinson:
Alle. Ich hatte einige Videos von Star Licks, aber auch einige Hot Licks, einen Haufen unabhängig produzierter Kassetten, einen Haufen von Albert Lee, John Petrucci, Steve Morse und Eric Johnsons Kassetten … Ich habe morgens mein Müsli gegessen und mir die Videos von Danny Gatton angesehen. Diese Videos haben mich wirklich verändert. Ich wollte also alles zusammenfassen, was ich gelernt habe, und den Leuten bestimmte Dinge zeigen, die mich wirklich inspiriert und beeinflusst haben, und sie in diesen Kurs packen, den man innerhalb 12 Wochen absolvieren kann. Es ist ein Einblick, wie man das, was ich gelernt habe, in 12 Wochen schaffen kann. Man kann die Beziehung zwischen Tommy Emmanuel und mir sehen und wie das Verhältnis zwischen Mentor und Schüler funktioniert. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, gute Mentoren zu haben. Mentoren können Menschen sein, über die du liest oder denen du zuhörst, oder auch Musik, die du hörst. Aber wenn du einen Mentor persönlich kennenlernen kannst, ist das etwas ganz Besonderes.

Evan Ball:
Ja, das ist interessant. Hörst du dir also nicht nur andere Musiker an, sondern auch Unternehmerpersönlichkeiten oder allgemeinere Stimmen, die sich mit dem Erreichen von Fachwissen beschäftigen?

Joe Robinson:
Das tue ich auf jeden Fall. In den letzten Jahren habe ich mich sehr für das Lesen begeistert. Da ich nicht studiert habe, hatte ich immer einen Minderwertigkeitskomplex, wenn ich mit Leuten zu tun hatte, die studiert hatten und College-Erfahrung hatten. Als ich dann mit dem Lesen angefangen habe, ging mir das Licht auf, dass ich mir viele der Informationen, die mir fehlen, einfach aneignen kann. Letztes Jahr habe ich 85 Bücher gelesen. Am Ende jedes Jahres poste ich die Liste der Bücher, die ich gelesen habe, in einem YouTube-Video und sage: "Das sind die Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe." Ich bin unglaublich inspiriert von Menschen aus der Geschichte, der Psychologie und der Philosophie, und ich habe so ziemlich alles gelesen, was Friedrich Nietzsche geschrieben hat, und Dostojewski und ...

Evan Ball:
Oh, du hast eine viel bessere Ausbildung als die meisten Leute mit einem Hochschulabschluss.

Joe Robinson:
Ich kann nichts dafür, wofür ich mich interessiere, und ich interessiere mich für vieles. Ich glaube, das geht vielen Menschen so. Eine der unglücklichen Seiten der Schule ist, dass es einen Lehrplan gibt, der nicht für jeden geeignet ist. Es gibt ein Sprichwort von Nassim Taleb: "Nur Autodidakten sind frei". Und wenn du dich erst einmal vom Lernen für ein Zertifikat befreit hast, finde ich es so abenteuerlich, in einen neuen Denker, einen neuen Autor, eine neue Reihe von Ideen einzutauchen. Es gibt einfach eine grenzenlose Welt an Informationen und Inspiration.

Evan Ball:
Das ist wie eine Parallele zwischen dem Zwang, Klavier spielen zu müssen, und der natürlichen Leidenschaft, sich das Gitarrespielen beizubringen.

Joe Robinson:
Ja, du musst...

Evan Ball:
Es gibt keinen Ersatz für diese natürliche Leidenschaft, man muss nicht zum Unterricht gehen. Man will den Stoff lernen, also verinnerlicht man ihn besser.

Joe Robinson:
Auf jeden Fall. Ich glaube, jeder hat ein Instrument. Ich wollte so viele Jahre lang unbedingt Schlagzeug spielen und habe da mit meinem Übungsblock gesessen und geübt und geübt, und ich habe Schlagzeugunterricht genommen und es wirklich versucht, aber es ist einfach nicht mein Instrument. Die Gitarre fühlt sich wie eine Verlängerung meines Körpers an. Beim Klavier war das nicht so. Ich glaube, jeder hat sein eigenes Instrument und jeder hat seine eigenen kleinen Talente, ein bisschen hierfür und ein bisschen dafür.

Evan Ball:
Ja. Um auf Joes12 zurückzukommen: Baut ihr viele akademische Inhalte in den Kurs ein? Vielleicht betrachtest du Leistung eher auf einer wissenschaftlichen Ebene?

Joe Robinson:
Ja. Für den Kurs habe ich Daniel Levitin interviewt, einen kognitiven Neurowissenschaftler und großartigen Musiker und Songwriter. Er hat das Buch „This Is Your Brain On Music“ geschrieben, das vor einigen Jahren erschienen ist und sehr beliebt ist. Ich wollte mit Daniel über seine Empfehlungen für das Üben nach wissenschaftlichen Kriterien sprechen. Dabei kam auch das Thema des bewussten Übens zur Sprache und wie wichtig es ist, absichtlich zu üben. Die Arbeit von Ericcson, der die 10.000-Stunden-Idee entwickelt hat, und von vielen Leistungsexperten im Bereich der psychologischen Persönlichkeitsentwicklung. Ich versuche, das in meinen Ansatz einzubauen ... Ich führe zum Beispiel ein Übungstagebuch, übe in 15-Minuten-Blöcken und trainiere abwechselnd technische Dinge, das Muskelgedächtnis, vor dem Spiegel und für mein Timing.

Joe Robinson:
Ich versuche, bewusst und absichtlich zu trainieren, und ich finde, dass ich mich durch diese kleinen Einheiten besser konzentrieren kann und dass ich mehr in weniger Zeit erreichen kann. Ich gebe definitiv nicht vor, ein Wissenschaftler zu sein, und ich gebe auch nicht vor, etwas anderes zu sein als jemand, der sehr leidenschaftlich und leidenschaftlich neugierig ist und viele Stunden mit dem Gitarrespielen verbracht hat. Ich habe ein paar Dinge darüber gelernt, was bei mir funktioniert und was nicht. Ich versuche auf jeden Fall, all diese Informationen in Joes12 einzubauen. Außerdem biete ich Kurse auf TrueFire und anderen Seiten an.

Evan Ball:
Großartig. Das macht Sinn, denn der Tag hat nur begrenzt viele Stunden, also nutze sie.

Joe Robinson:
Auf jeden Fall.

Evan Ball:
Wenn du in die Zukunft blickst, wie soll dein Leben dann in 10 Jahren aussehen?

Joe Robinson:
Das ist eine gute Frage. Ich habe in letzter Zeit so viel über die Zukunft nachgedacht und mich gefragt, wie das Musikgeschäft nach Covid aussehen wird. Ich möchte in der Zukunft leben, und ich möchte wissen, wie sie aussieht. Es ist beängstigend zu sehen, wie schnell sich die Dinge ändern. Ich glaube, ich möchte in die Vergangenheit zurückzukehren, während ich an die Zukunft denke. Ich interessiere mich für ein einfacheres Leben. Seit kurzem kaufe ich alle meine Produkte und Lebensmittel von lokalen Bauernhöfen und beziehe alles aus der Region. Das wollte ich schon immer tun, aber ich war nie lange genug zu Hause, um das zu tun. Und ich habe einen Garten. Und die Idee, sich zu verkleinern und weniger abhängig zu werden von ... Ich glaube, die Welt wird sich irgendwie dezentralisieren, und das ist eine starke Idee, die ich in der Zukunft sehr anziehend finde.

Joe Robinson:
Ich denke, dass ein großartiger Song immer noch ein großartiger Song sein wird. Ich denke, dass Leute, die Zeit damit verbracht haben, ihr Handwerk zu verfeinern, wenn es etwas ist, das die Leute ... Musik ist etwas, das die Menschen schon seit Äonen fasziniert. Wenn du also die Fähigkeit besitzt, interessante, fesselnde Musik zu machen und dein Instrument beherrscht, dann denke ich, dass das so lange gefragt sein wird, wie es Menschen auf der Welt gibt.

Evan Ball:
Du hast gesagt, dass du glaubst, dass sich die Dinge dezentralisieren werden. Das finde ich interessant, denn ich denke, dass sich die Dinge in die entgegengesetzte Richtung entwickeln werden, wie bei Amazon und diesen "Winner-takes-all"-Unternehmen und der "Winner-takes-all"-Wirtschaft, in der eine einzelne Person alles bedient. Hat das etwas mit deinen Ansichten zu tun oder geht das in eine andere Richtung?

Joe Robinson:
Ja, das tut es. Vor Covid war ich in China und es war unglaublich, zu sehen, wie sich dieses Land verändert hat. Ich war 2013 dort, habe eine Tour gemacht und dann noch einmal 2019, und das Ausmaß der technologischen Entwicklung in den Städten hat alles übertroffen, was ich im Westen je gesehen habe. Es hat mich nostalgisch werden lassen, wie toll meine Kindheit war, als alles noch viel einfacher war. Ich glaube, dass die Menschen so süchtig nach ihren Handys sind, hat unsere Gehirne völlig neu verdrahtet. Man kann Podcasts und Hörbücher hören und ständig mit diesen wunderbaren Informationen und Inspirationen gefüttert werden, aber ich glaube, dass die Leute das irgendwann satt haben werden und es muss ...

Evan Ball:
Also eine Art kulturelle Gegenreaktion?

Joe Robinson:
Ja, ich denke, das muss sich wieder ändern.

Evan Ball:
Ja, interessant.

Joe Robinson:
Ich glaube, das wird auch mit dem Konsum passieren. Aber ich weiß nicht, wie sich das entwickeln wird. Amazon ist ein tolles Beispiel, denn ich habe Freunde, die ihren Lebensunterhalt mit Amazon verdienen, und zwar nicht nur mit Amazon [unverständlich 00:39:17], sondern auch mit vielen kleineren [Durcheinandergerede 00:39:20].

Evan Ball:
Drittverkäufer, ja.

Joe Robinson:
Das ist schwer zu sagen, [Durcheinandergerede 00:39:23].

Evan Ball:
Hier ist eine weitere Frage. Wenn du deinem jugendlichen Ich einen Ratschlag geben könntest: Wie würde er lauten?

Joe Robinson:
Lies Bücher.

Evan Ball:
Ja?

Joe Robinson:
Als Teenager habe ich eine Menge Geld geschenkt bekommen und bin in ziemlich ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Ein paar Jahre später war das Geld weg und [unverständlich 00:39:42]. Das ist also ein großes "Wie habe ich das gemacht?" Ich erinnere mich, wie ich mit Rodney Crowell auf der Bühne gestanden habe und er hat mich vorgestellt und gesagt, dass ich in dieser Fernsehshow gewonnen habe und dass sie mir einen Haufen Geld gegeben haben. Ich weiß noch, wie ich bei Les Paul gesessen habe und er hat gesagt: "Du hast eine Fernsehshow gewonnen und sie haben dir 250 Riesen gegeben. Was machst du hier? Warum bist du nicht in Vegas?“ Ich musste Rodney beichten und sagte: "Rodney, ich habe das Geld verprasst". Und er sah mich an und sagte: "Du wirst es im Musikgeschäft schaffen, Junge, ich weiß es. Das ist uns allen schon passiert." Das ist mein Ratschlag: Wirf dein Geld nicht zum Fenster hinaus.

Evan Ball:
Das ist großartig. Letzte Frage: Welche Art von Saiten spielst du?

Joe Robinson:
Auf meiner Akustikgitarre benutze ich im Moment Paradigm-Saiten. Ich benutze eine Custom-Stärke, also nehme ich einen Satz Lights, [unverständlich 00:40:37] 12-54er, aber ich ziehe eine höhere E-Saite auf. Ich kaufe also Einzelsaiten, 14er, 15er, manchmal sogar 16er, und ich mag eine höhere E-Saite.

Evan Ball:
Eine dickere Stärke, richtig?

Joe Robinson:
Ganz genau.

Evan Ball:
Deine erste Saite ist also eine 14er?

Joe Robinson:
Ja. 14 oder 15. In letzter Zeit spiele ich sogar eine 16, und das schon sehr lange. Ich mache das seit etwa sieben oder acht Jahren. Die Gitarren, die ich spiele, sind Maton-Akustikgitarren, und ich habe ein neues Signature-Modell, die J.R. Signature. Die Hälse dieser Gitarren sind so solide und stabil, sodass man den Hals schön gerade bekommt. Ich benutze größere Bundabstände, damit sie sich leichter spielen lässt und die höhere Spannung bringt sie zum Singen. Außerdem gefällt mir das Gefühl, dass das hohe E etwas mehr Fleisch auf den Rippen hat.

Evan Ball:
Du hast die Gitarre also auf E gestimmt, der Standardstimmung?

Joe Robinson:
Ja.

Evan Ball:
Und die zweite Saite? Musst du die Stärke auch [unverständlich 00:41:31] erhöhen? Oder lässt du sie, wo sie ist?

Joe Robinson:
Die lasse ich bei 16.

Evan Ball:
Interessant. Du hast also eine Menge mehr Spannung auf der ersten Saite.

Joe Robinson:
Ja. Und wenn ich Fingerstyle-Gitarre spiele, versuche ich, die Melodie zum Sprechen zu bringen und den Bassnoten ihren Platz einzuräumen. Ich habe das Gefühl, dass es mir schwerer fällt, wenn die Melodie oben ein bisschen dünner klingt. Ich mag es, ein wärmeres, dickeres, runderes hohes E zu haben. Ich habe mich einfach daran gewöhnt und mag es wirklich. Ich mache das auch mit E-Gitarren. Manchmal benutze ich einen Satz 11er und lege dann eine 12er darüber. Aber ganz ehrlich, ich spiele auch gerne einen Satz 11er auf der E-Gitarre und nur Slinkys.

Evan Ball:
Ja. Benutzt du bei der Akustik eine Phosphor- oder 80/20-Bronze?

Joe Robinson:
Normalerweise Phosphorbronze. Aber bei manchen Gitarren versuche ich, ein bisschen zu wechseln. Ich habe die Theorie gehört, dass Gitarren darauf reagieren, wenn man gelegentlich die Saitenart wechselt. Manchmal wechsle ich zu 80/20-Bronze und denke: "Oh ja, das gefällt mir." Aber dann gehe ich zurück zu Phosphor und denke: "Oh ja, das ist die [unverständlich 00:42:45], mit der ich mich in die Akustikgitarre verliebt habe."

Evan Ball:
Ja, sehr gut. Joe Robinson, danke, dass du bei unserem Podcast dabei warst.

Joe Robinson:
War mir ein Vergnügen, Evan. Danke, dass ich dabei sein durfte, es hat wirklich Spaß gemacht.

Evan Ball:
Danke, dass ihr bei Striking A Chord zugehört habt, einem Podcast von Ernie Ball. Folgt Joe Robinson in den sozialen Medien, denn er veröffentlicht immer tolle Inhalte. Und wenn ihr Lust habt, könnt ihr diesen Podcast auf iTunes oder anderen Plattformen bewerten. Unter [email protected] könnt ihr uns kontaktieren.

Joe Robinson:
[unverständlich 00:43:25] ein wunderschönes Fleckchen da draußen.

Evan Ball:
Ja.

Joe Robinson:
San Luis Obispo, oder?

Evan Ball:
Ja, warst du mal hier?

Joe Robinson:
Ich war einmal dort, ja. Ich in einem großen Theater mit Rodney Crowell gespielt. Dort habe ich Sterling kennengelernt, und ich freue mich darauf, irgendwann wiederzukommen.

Evan Ball:
Okay. Du hast mit Rodney gespielt und dann kam Sterling? Okay. Ist so die Verbindung zu Ernie Ball entstanden?

Joe Robinson:
Ja, das war das erste Mal, dass ich Sterling getroffen habe. Derek und ein paar andere Leute hatten ... Ich habe ihn letztes Jahr beim Clapton Crossroads Festival kennengelernt. Also, eigentlich 2019. Und, [unverständlich 00:44:01] mit allen in Kontakt, [Durcheinandergerede 00:44:03]. Das war das erste Mal, dass ich Sterling getroffen habe, und er ist eine echt Persönlichkeit.